Einführung in die Ausstellung „ZUM LICHT“ von Sabine Prechtel
im Kurfürstlichen Gärtnerhaus in Bonn von Gisela Götz, Kunsthistorikerin
4. Oktober 2015
Sabine Prechtel „Zum Licht!“
Der suggestiven Kraft, der Intensität und der Ernsthaftigkeit der Arbeiten von Sabine Prechtel wird sich kaum jemand entziehen können. Ihr virtuoses Können und die sichere Beherrschung der technischen Mittel stehen außer Zweifel, es kommt jedoch das Entscheidende hinzu: die Künstlerin führt den Betrachter mit ihren Landschaftsgemälden in eine zweite Ebene, er wird in einen nachdenklichen, ja kontemplativen und stillen Raum geführt.
“ Landschaft ist mein Lebensthema“ sagt die Künstlerin von sich. Prägend für Sabine Prechtel sind die Naturbegeisterung der Eltern, das selbstverständliche Leben in und mit der Natur, ihre Wanderungen in Jugend und Kindheit, ihre Reisen in die ganze Welt. Geboren in Oslo, Wohnungswechsel in Skandinavien, Einschulung in Athen, 4 ½ Jahre Aufenthalt in Venezuela, Internatsbesuch im Weserbergland, Wohnen in der Eifel und in Bonn. Sprich, Sabine Prechtel ist eingeübt im Aufbrechen und Unterwegs sein. Die Künstlerin beschreitet immer neue Wege, sie reist, sie wandert, sie pilgert.
Ihre Reise“berichte“, ihre Naturerlebnisse, ihre Suche werden uns hier im wortwörtlichen Sinne vor Augen geführt. Sabine Prechtel bildet jedoch keine topografisch genau zu verortenden Landschaften ab, auch wenn sie ihre Motive meistens in Skandinavien, insbesondere auf den Lofoten findet .Sie erfasst die Größe, Erhabenheit und Schönheit der Natur im Allgemeinen. Sie verniedlicht oder idyllisiert nicht, sie verzichtet auf die Einbeziehung des Menschen oder der Pflanzen- und Tierwelt, Details oder narrative Elemente würden stören. Sie widersteht der Gefahr zu verklären und zu verkitschen Die Arbeiten sind bestimmt von Klarheit und Reinheit. Sie zeigt weniger Kulturlandschaften, vielmehr ist sie auf der Suche nach dem verborgenem Urgrund der Natur, ihrem Wesenhaften, dem Eigentlichen: der Großartigkeit, der Macht, den vielen Bezügen zwischen Mensch und Natur. Sie nähert sich ihrem Thema mit Respekt, Staunen und Ehrfurcht, ihr gelingt es, das Gefühl der Zeitlosigkeit zu evorzieren. Natur ist für sie eine Möglichkeit, Größerem zu begegnen Strahlen und Erleuchtung zu finden.
Ihr intensives Eintauchen in die Natur, ihr lebenslanges Forschen, Eindringen, Durchstreifen verbildlicht sie mit ihrem meisterhaften Umgang mit ihren wichtigsten Ausdrucksträgern: Farbe und Licht.
Die Künstlerin malt rasch, zügig und beinahe expressiv mit heftigen Pinselstrichen. Kraftvoll, spontan trägt sie die Farben auf, Farben von expressiver Glut, pastos aufgetragen. Beschattete, dunkle Partien lassen hellere umso leuchtender hervortreten. In dem sichtbaren schnellen Akt der Bildfindung schwingt das persönliche Erlebnis mit, das sie so eindrucksvoll gestalten kann, dass es sich auf das Empfinden des Betrachters überträgt.
Aus einem dunkel gehaltenen Vordergrund geht sie zum Licht, indem sie die reiche Palette der Blau- und Gelbtöne nutzt und fließende Übergänge schafft. In faszinierender Weise gestaltet sie Lichträume und Himmelslandschaften, deren Reflexe sich in Seen oder Flüssen finden und spiegeln. Ruhe und Lebendigkeit stehen neben einander .
Die Gemälde weisen Wege, ein „Dahinter“ z, eine zweite Ebene zu finden, es gelingt der Künstlerin, indem sie Landschaften als geistigen Raum darstellt. Beispielhaft zu entdecken in dem Gemälde „Ruach“, dem hebräischen Wort für den Odem Gottes ,das Ruach als hellen, illuminierten Wind, der über die Natur weht, zeigt.
Und so hat sie mit dem Gemälde „Sophia zeigt sich“ selbst das Motto der Ausstellung vorangestellt. Prechtel zeigt Sophia, die Göttin der Weisheit, als lichte, schöne und ehrfurchtgebietende Gestalt, deren Aura den Kosmos durchdringt. Sie wird von einem spirituellen Licht umflossen, sie wird dargestellt als Quelle kreativer Kraft, interpretiert von Prechtel als Weisheit der Natur, als Mutter Natur verstanden, als anima mundi.
Ebenso ungewöhnlich ist die Interpretation Darstellung der Ikarusgeschichte. Der Titel ist nach einem Vers eines Gedichts von Georg Trakel gewählt. “Jetzt hilf Dir Ikarus“ .Auch hier konzentriert sich Prechtel wieder auf den farbigen Eindruck des Lichts und seiner Effekte .Die intensive Farbigkeit die Modulationen zwischen Hell und Dunkel, die Farbe Orange changierend von Gelb zu Weiß zeigt die Hybirs des Unterfangen des Vater Daidalus, die Strahlen in Türkis, Blau und Ultramarin, hin zum Indigo, lassen Ikarus in der Dunkelheit verschwinden, nicht ganz, - das genauere Hinsehen lohnt -, ein kleiner weißer Fleck zeigt möglicherweise den Weg zum Licht.
Sabine Prechtel geht auch im Künstlerischen immer wieder auf Entdeckungsreisen, erst im letzten Jahr hat sie sich dem Motiv der Höhle gewidmet, eine wunderbare Darstellung, wie der Mensch aus der Dunkelheit zum Licht findet. Inspirationsquelle sind die Kakushöhlen in der Eifel, aber bewusst legt sich Sabine Prechtel auch hier nicht fest, die Kakushöhlen stehen stellvertretend für eine allgemeingültige Aussage.
Die spezielle Landschaftformation der Höhle gibt eine treffliche Vorlage für die Ausgestaltung der Dramatik des Lichtes. Hell und leuchtend bricht die Sonne hervor, meisterhaft in der Wiedergabe der ins Licht getauchten Landschaft. Das Licht verspricht Erlösung, der Höhlenausgang verspricht Befreiung aus der Welt des Dunkels.
Und wo ist Sabine Prechtel nun in der Tradition der Landschaftsmalerei zu verorten?
Seit Jahrhunderten wählen Künstler Landschaften als Spiegel des eigenen Empfindens. Steht die Landschaft im ausgehenden Mittelalter noch im Dienste der Darstellung des christlichen Heilsgeschehens, in dem Versuch, Gott in der sichtbaren Welt erscheinen zu lassen. Im so genanntem Goldenen Zeitalter in Holland wird Landschaftsdarstellung Ausdruck eines patriotischen Gefühls, in der Aufklärung wird die gewaltige, unbeherrschbare Natur Thema, im Rokoko flüchtet man in arkadische Hirtenidyllen. Erst im 19. Jahrhundert mit der zunehmenden Verstädterung und Industrialisierung steht aus der Sehnsucht heraus nach der verlorenen, unberührten Landschaft ihre Malerei in voller Blüte. Hier steht Vieles nebeneinander Neben ganz realistischenen, rein abbildeten Gemälden steht die symbolhafte transzendent zu verstehende Landschaft, die biedermeierliche Flucht aus der Welt oder die Darstellung eines flüchtigen Augenblickss, von den Impressionisten eingefangen. Für die Expressionisten werden Landschaften Spiegel der inneren Befindlichkeit .
Und in der heutigen Kunstszene? Es fällt schwer Namen zu finden, die so ausschließlich Landschaften zum Thema machen, natürlich fallen und die Bekannten ein, David Hockney, Gerhard Richter oder Bernd Zimmer und Reiner Fetting ,um so bemerkenswerter, wie intensiv sich Sabine Prechtel sich dem Thema zuwendet.
Man liegt wahrscheinlich nicht falsch, wenn man Sabine Prechtel den jungen bzw .frühen Romantikern zuordnet, nicht den späten, die die Idylle und Idealisierung suchten, sondern den frühen, die Romantik als Aufbruch, als leinen Weg Wunderbaren, als Suche nach der Blauen Blume empfanden Die Blaue Blume ist das, was jeder sucht ,sie ist Ausdruck der Sehnsucht nach Liebe, einem Aufgehobensein und Ewigkeit.
In der Literatur verewigt von Joseph von Eichendorff in der Figur des Taugenichts, den Gedichten Brentanos, Arndt und Schlegels. In der Musik Beethovens, Schumanns, Mendelsohns , Mahlers und Griegs, in der Malerei durch den großen Caspar David Friedrich. Er sein zitiert mit einem Satz, den Sabine Prechtel auch über ihr Werk stellen könnte, in ihrer Bescheidenheit jedoch würde sie es nicht wagen..
„ Ich muss mich dem hingeben, was mich umgibt, mich vereinigen mit meinen Wolken und Felsen, um das zu sein, was ich bin.“
Gisela Götz, Kunsthistorikerin